Nordfriesland. Der Kompass ist laut Duden ein Gerät zum Bestimmen der Himmelsrichtung. Bei wolkenverhangenem Himmel half in der Vergangenheit nur der Kompass den Seefahrern bei der Navigation. Für den eigenen Lebensweg fehlt ein solches Instrument. Im wirklichen Leben gibt es Menschen, bei denen alles gut läuft. Doch genauso viele Menschen erleben, dass dunkle Wolken am Horizont aufziehen, das kann eine unerwartete Arbeitslosigkeit sein, eine schwere Krankheit, eine notwendig gewordene Trennung vom Partner, eine besondere Herausforderung im Umgang mit dem eigenen Kind, die Corona-Pandemie oder noch etwas ganz anderes. Das passiert einfach. Und dann kann es sein, dass Eltern überfordert sind mit den eigenen Kindern. Die Eltern geraten in einen Strudel aus Kummer und Unzufriedenheit, Ungerechtigkeit oder Gewalt. Aus diesem Sog können sie sich selbst schwer befreien, und da ist es gut, dass professionelle Hilfe ganz nah ist, praktisch vor der Haustür: Die Kompass gGmbH, ein freier und gemeinnütziger Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Kreis Nordfriesland mit 110 Mitarbeitern.

Jeruscha Kriener ist die pädagogische Leiterin für den Bereich Sozialraum Süd mit Sitz in Tönning, der die Halbinsel Eiderstedt umfasst sowie das südliche Gebiet von Simonsberg bis zur Kreisgrenze. „In Kooperation mit unserem Partner, der Eingliederungshilfe, bieten wir professionelle Hilfestellung für Eltern, Kinder und Jugendliche in Not“, sagt Jeruscha Kriener und fährt fort: „Jeder, der das Gefühl hat, dass er selbst oder jemand anderes Hilfe braucht, kann sich ganz unverbindlich an uns wenden. Durch die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem allgemeinen sozialen Dienst des Kreises Nordfriesland kann für jedes Kind, jeden Jugendlichen oder die ganze Familie eine sehr persönliche Hilfestellung entwickelt werden.“ Das Angebot reicht von der einfachen Gesprächsrunde wie zum Beispiel dem Elterntreff und dem Mutterfrühstück bis hin zur Unterstützung in der Schule.

Vivien Harder, Koordinatorin des Bereichs fallunspezifische und fallübergreifende Arbeit, koordiniert die Projekte. Ziel ihrer Arbeit ist es, das vorhandene Angebot zu organisieren und neue Angebote zu erstellen, zusammen mit dem öffentlichen Träger und „iuvo“, einer Tochtergesellschaft der Gruppe Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie. „Uns ist es wichtig, herauszufinden, was den Menschen noch fehlt. Die Projekte und Angebote für Kinder und Jugendliche basieren auf dem Bedarf vor Ort“, so Vivien Harder. Das Mutterfrühstück zum Beispiel wird in Tönning und Garding gut angenommen. Im Schnitt kommen zehn bis zwölf Mütter, die bei einem gemeinsamen Frühstück die Gelegenheit haben, sich auszutauschen. „Es ist immer eine Fachkraft vor Ort, die bei Problemlösungen behilflich ist, aber grundsätzlich geht es einfach nur um den Erfahrungsaustausch“, sagt Vivien Harder. Die Kinder werden während dieser Zeit von einer Erzieherin betreut.

Neben den regelmäßigen Sportangeboten wurde in Friedrichstadt jüngst „After School Fun“ ins Leben gerufen. „Das Bewegungsangebot richtet sich an Kinder und Jugendliche, deren Selbstbewusstsein noch wachsen muss. Als gute Vorbereitung darauf, einem Sportverein beizutreten“, so Vivien Harder. Und es gibt für Eltern mit autistischen Kindern einen Kreis, der sich einmal im Monat zum Gespräch trifft. „Der Umgang mit diesen Kindern bedeutet für die Eltern eine ganz besondere Herausforderung“, weiß Vivien Harder. Selbst für Kinder, die sich nicht trauen, an einer Ferienfreizeit teilzunehmen oder deren Eltern einfach nicht in den Urlaub fahren können, hat der Sozialraum eine Lösung parat. In Friedrichstadt werden in den Sommerferien „Ferien ohne Koffer“ angeboten, das sind kleine Ausflüge in die nähere Umgebung.

„Kompass“ wurde im Jahr 2002 mit dem Beginn der Umsetzung des Konzeptes der Sozialraumorientierung gegründet. Die Mitarbeiter sind überwiegend Erzieher, Sozialpädagogen und Heilpädagogen. Merle Schlieker, Leiterin des ambulanten Teams in Tönning, betont: „Wir müssen uns ständig in andere Lebenslagen versetzten, es gibt nicht die perfekte Lebensgestaltung. Es sind nicht nur die Alleinerziehenden, die mit der Situation überfordert sind, und da bieten wir eine Bandbreite an Hilfestellung. Niemand wird allein gelassen. Familien und Eltern können die Projekte nutzen. Wenn diese deutlich mehr Hilfe benötigen, wenden sie sich an den öffentlichen Träger, den Allgemeinen Sozialen Dienst. Alle Maßnahmen werden stets in Kooperation mit dem freien Träger und mit dem öffentlichen Träger entschieden“, so Merle Schlieker.

Je nach Bedarf gibt es professionelle Hilfe für alle Kinder, Jugendlichen und Familien. Es gibt Kinder mit einer Teilhabe-Beeinträchtigung, diese können sich einfach nicht richtig auf den Unterricht konzentrieren und erhalten Schulbegleitung. Es gibt Kinder, die an der Teilstationären Hilfe über Tag teilnehmen können, das heißt, dass sie zwei bis viermal in der Woche bei Kompass betreut werden und mit ihren Eltern gemeinsam erarbeitet wird, wie Schwierigkeiten kleiner werden können. Ein weiteres Spektrum der Maßnahmen: Die Durchführung von Hilfen im häuslichen Umfeld wie zum Beispiel sozialpädagogische Familienhilfe und Erziehungsbeistandschaften. Allen Beteiligten ist es dabei am wichtigsten, dass die Ziele der Familien und die bereits vorhandenen Ressourcen genutzt werden, damit Hilfen nachhaltig wirken können. Es sind also ganz verschiedene Umstände, die in einem ganz normalen Leben auftreten können, bei denen die Kompass-Mitarbeiter den Menschen zur Seite stehen, so, wie einst der Kompass den Seefahrern den Weg im dichtem Seenebel wies.

Text/Foto: Bärbel Sommer