Tönning. Mit geübtem Schwung verstaut Omran Faraj flache Pappkartons auf der Ladefläche seines Lastenfahrrads. Vier Kisten passen mindestens hinein, bei geschicktem Stapeln sogar noch etwas mehr. In der Kiste befinden sich Gemüse und Obst, auch ein wenig Schokolade ist ausnahmsweise mit dabei. In jeweils einer Papiertüte pro Kiste werden Milchprodukte ausgeliefert. Der 21-jährige Omran schwingt sich locker in den Sattel und will sogleich seine Liefertour durch Tönning absolvieren: „Das Fahren ist überhaupt nicht schwierig“, lächelt er, und: „Das Rad ist gut zu handhaben – man kommt überall durch.“

Omran ist einer der ehrenamtlichen Unterstützer der Tafel in Tönning. „Als die Corona-Krise auf ihrem Höhepunkt war, gab es wegen der Hamsterkäufe kaum Warenspenden“, erinnert sich Ina Hinrichsen, die für die Tönninger Tafel verantwortlich ist. „Deshalb mussten wir über eine Woche die Tafel schließen.“ Doch auch Bürgermeisterin Dorothe Klömmer sorgte sich um „ihre“ Einwohnerschaft und fragte im Diakonischen Werk nach, welche Angebote aufrechterhalten werden könnten.

Und so sind es oftmals Krisen, die neue Ideen sprießen lassen und in einem pfiffigen „Um-die-Ecke-denken“ münden: Silvia Bludau von der Fachstelle Migration des Diakonischen Werks in Tönning überlegte sich mit einigen Mitstreitenden die Organisation eines Lieferdienstes: „Auf Anruf haben wir für die betreffende Familie oder Einzelperson eine Tüte gepackt und diese per Lastenfahrrad, das wir von der Radstation in Husum gestellt bekamen, direkt bis vor die Tür gebracht.“

Zusammenhalt wird großgeschrieben: Zunächst wurden flache, gut „packbare“ Pappkartons von der Tafelstiftung zur Verfügung gestellt, und auch nach Garding wurden Waren ausgeliefert: Diese „Tütenroute“ übernimmt seitdem Alaa Fadil mit dem eigenen Auto. Und da viele Fahrer, die die Lebensmittel bei den Märkten einsammeln, zur Risikogruppe gehören, sprang Ina Hinrichsen mit ein bei der Warenabholung – mit Unterstützung ihres Sohnes Moje – freilich nur so lange, wie die Schule noch nicht seine Kräfte absorbiert.
„Wir hatten viele positive Rückmeldungen“, freut sich Silvia Bludau über den Erfolg der unkonventionellen Idee. Auch Omran war stets hoch willkommen: „Die Menschen waren alle freundlich. Berührt hat mich der aufrichtige Dank für die Lieferungen“, sagt er. „Die Unterstützung durch die uns so wohlgesonnenen Supermärkte war beispiellos“, so Ina Hinrichsen. Dafür danken sie und Adelheit Marcinczyk, Bereichsleiterin beim Diakonischen Werk Husum, ganz ausdrücklich. Ein ebenso großer Dank und ein gewaltiges Lob für den selbstlosen Einsatz gebührt allen Ehrenamtlichen: Den „alten Hasen“, die sich nach Kräften ins Zeug gelegt haben und denjenigen, die sich spontan gemeldet und ihre Unterstützung angeboten haben.

Durchschnittlich werden in dieser Ausnahmesituation 40 Personen einmal in der Woche mit Lebensmitteln versorgt. In normalen Zeiten sind es etwa 60 Menschen, die die Tafel in Tönning aufsuchen: „Man muss jedoch bedenken, dass davon zwar einige Einzelpersonen sind; häufig hängen jedoch mehrköpfige Familien mit daran“, sorgt sich Silvia Bludau.
Auch wenn in kleinen, vorsichtigen Schritten die Normalität wieder zurückkehrt: Bestimmte Maßnahmen bleiben bestehen. „Auf jeden Fall ist es wichtig, dass unsere Kunden vorher anrufen und sich gewissermaßen eine Lieferung reservieren lassen. Dies ist dann für alle Seiten eine verlässliche Vorgehensweise“, so Silvia Bludau und Ina Hinrichsen. Die Ware wird dann in einem Pappkarton über den Hintereingang ausgegeben. Gleichwohl bleibt der „Lieferdienst“ per Lastenfahrrad bestehen: Omran besucht jene Kunden, die nicht selbst ihre Lebensmittel abholen können.

Wer sich mit der Koordinatorin des Lieferservice, Silvia Bludau, in Verbindung setzen möchte, kann sie unter der Nummer 0151-65473312 anrufen. Zudem sind weitere Lebensmittelspenden und ehrenamtliche Helfer, vor allem Fahrer, in der Tönninger Tafel herzlich willkommen und immer gebraucht.

Zum Foto: Drei junge Männer, die sich bei der Tafel in Tönning ehenamtlich engagieren: Omran Faraj, Alaa Fadil und Moje Hinrichsen.

Quelle/Foto: Diakonisches Werk