St. Peter-Ording. Im Keller der Bücherei verbringt der pensionierte Lehrer sehr viel Zeit. Er sichtet, er ordnet, er sortiert. Mit ganz viel Geduld hat er sich in die Feinheiten der altdeutschen Schrift eingelesen und übersetzt alte Dokumente ins Hochdeutsche.

Claus Heitmann, Jahrgang 1939, in Tating geboren. Er besuchte in St. Peter-Ording das Gymnasium, an dem er später viele Jahre lang unterrichten sollte. Doch bis dahin verbrachte der examinierte Sportlehrer 13 Jahre im Ausland um Sprachen zu studieren. Er genoss das sonnige Leben in Frankreich, England, Spanien und Italien um später dann diese Sprachen zu unterrichten. „Wenn man meine Schulzeit mitrechnet, dann war ich 50 Jahre lang an ein und derselben Schule“, schmunzelt der
Mann mit dem scharfen Blick, ihm entgeht so schnell nichts. Bis auf ein leichtes Taubheitsgefühl in den Fingern ist der 82 Jährige körperlich topfit, geistig sowieso. Die ältere der beiden Töchter lebt in Dresden. „Aber sie überlegt, zurück nach St. Peter-Ording zu ziehen, denn hier ist das Leben doch angenehmer, wenn man sich die ganze Querdenker-Szene in Sachsen so anschaut“, so Heitmann.

Ein Umzug nach St. Peter – das war es auch, was seine Mutter als Witwe mit fünf Kindern in Angriff nahm. „Mein Vater ist im Krieg gefallen, da war ich fünf Jahre alt“, verrät Heitmann. Es war eine arme Zeit nach dem Krieg, doch seine alleinerziehende Mutter bekam Unterstützung von den Tatinger Bauern. „Die Eltern meiner Schulkameraden haben uns Kindern oft Lebensmittelpakete mitgegeben“, so Heitmann, der heute noch den Satz dazu die im Ohr hat: „Dat nehm man för Renate mit.“

 

Ich liebe diesen Ort, doch ist
es schade, dass sich St. Peter
von einem guten Wohnort für
Einheimische so sehr verwan-
delt hat zu einer Touristen-
hochburg mit immer größeren
und höheren Häusern, die alle
nur dazu dienen, möglichst viel
Geld zu verdienen.“
Claus Heitmann
Ortschronist

 

Es war das Jahr 1956, als die Mutter von Claus Heitmann in St. Peter ein Haus bauen ließ. Der Quadratmeterpreis für ein Baugrundstück lag damals bei 1,20 DM. Zu diesem Zeitpunkt befand sich St. Peter bereits im Wandel, vom Bauern- und Fischerdorf hin zu einem beliebten Ferien- und Kurort an der Küste. „Meine Mutter hat ein Zimmer vermietet und konnte damit ihre Witwenrente erheblich aufbessern“, freut sich Heitmann, der zu der Zeit als Jugendturner an den Deutschen Meisterschaften teilnahm und 1957 den 23. Platz belegte. Nach fünf Semestern in Hamburg machte er sein Examen und ging als Sportlehrer ins Ausland. 1972 kam er zurück nach St. Peter: „Ich liebe diesen Ort, doch ist es schade, dass sich St. Peter von einem guten Wohnort für Einheimische so sehr verwandelt hat zu einer Touristenhochburg mit immer größeren und höheren Häusern, die alle nur dazu dienen, möglichst viel Geld zu verdienen.“

Das ist einer der Gründe, warum er den von ihm ins Leben gerufenen Verein „AG Orts-Chronik e.V.“ im Jahr 2015 – nach 30 Jahren erfolgreicher Arbeit – auflöste. „Gemeinsam haben wir mit teilweise über 300 Mitgliedern viel bewegt für St. Peter“, sagt
der ehemalige Vorsitzende. Sie zeichnen unter anderem verantwortlich für die Skulptur „Jan und Gret“, die Hinweise im Ort, den Glockenturm, den Bau des Backhauses, die „Historische Insel“ oder den Aufbau des Archivs, in dem Heitmann nach wie vor als Ortschronist ehrenamtlich tätig ist.

Claus Heitmann ist im Herzen Eiderstedter

Im Jahr 1977 begann das erste Ehrenamt des sprachbegabten Mannes mit der Übersetzung der „Chronik der Eiderstedter“ vom altdeutschen Platt- ins Hochdeutsche und seitdem ist er für die Gemeinde im Einsatz. Lange Jahre unterstützte er den Eiderstedter Heimatbund. 2004 wurde er mit dem Hans-Momsen-Preis vom Kreis Nordfriesland für seine geschichtliche Arbeit ausgezeichnet.

Das Archiv im Keller der Bücherei – es lässt ihn nicht los. Voller Faszination blättert er in einer Martin-Luther-Bibel aus dem Jahre 1714 oder in einem Rechenheft, das aus den 1850 Jahren stammt. Unzählige Fotos und Dias bekannter Ortsfotografen hat er archiviert, hat selbst Ausstellungen organisiert und Vorträge gehalten. „Jetzt sind wir dabei, das alles zu digitalisieren und dabei helfen mir der pensionierte Kapitän Joern Herzberg, Ingrid Bialek, Elke Egge und Olivia, eine Abiturientin, die in der Bücherei ihr Freiwillige Soziales Jahr ableistet“, freut sich Heitmann.

Einmal im Monat nimmt er sich die Zeit für seinen Gesprächskreis, dort treffen sich die „alten“ St. Peteraner und tauschen sich aus und einmal wöchentlich trifft er sich mit seiner Dämmergruppe zum Spaziergang am Meer. „Und anschließend sitzen wir gemütlich beisammen und klönen ein bisschen, das sind immer schöne Abende“, so Heitmann. Im Herzen ist er Eiderstedter – der die Geschichte des Ortes St. Peter aufgeschrieben und für die Nachwelt festgehalten hat – inklusive der Eiderstedter Geschichte, die ebenfalls im Archiv zu finden ist, denn sie gehören zusammen wie Ebbe und Flut, die Halbinsel Eiderstedt und das Nordseeheilbad St. Peter-Ording.

Bärbel Sommer