Tönning. „Nichts ruft die Erinnerungen an die Vergangenheit so lebhaft wach, wie die Musik“. Dieses Zitat stammt von der französischen Schriftstellerin Germaine Baronin von Staël-Holstein (1766-1817). Die meisten Erinnerungen an seine Schulzeit in der dänischen Schule in Tönning verbindet Willy Itner aus Tönning tatsächlich ganz eng mit Musik. Ein Kontrabass spielt in diesen Erinnerungen eine große Rolle. Und diesen Kontrabass fand er vor kurzem wieder.

Göran Rust, Schulleiter der dänischen Uffe-Skolen in Tönning, erinnert sich: „Es war kurz vor Weihnachten im vergangenen Jahr. Willy Itner stand vor der Tür und fragte, ob er mal auf den Dachboden dürfe. Dort müsste ein alter Kontrabass aus seiner Schulzeit liegen. Er würde gern Maß nehmen, um diesen nachzubauen.“

Gemeinsam mit dem Hausmeister Sönke Moldenhauer machte Itner sich dann auf den Weg auf den Boden der dänischen Schule, wobei der Hausmeister den letzten Aufstieg auf den Spitzboden aus Sicherheitsgründen allein tätigte. Tatsächlich fand er den gesuchten Kontrabass dort oben, allerdings war lediglich das Griffbrett intakt, alles andere war ein Arm voller Holzteile.

„Von diesem Trümmerhaufen Maß nehmen zu wollen, war undenkbar“, so Willy Itner. Und auch Schulleiter Rust sah auf den ersten Blick, dass dieser Arm voll Holz kaum mehr Kontrabass genannt werden konnte. Kurz entschlossen schenkte er Itner die kläglichen Überreste des Musikinstruments, dessen Alter ungeklärt ist. Allerdings gibt es schulische Unterlagen, wonach der Kontrabass 1936 mal repariert wurde.

Für Willy Itner bedeutet dieser „Trümmerhaufen“ dennoch un- endlich viel. „In meiner Schulzeit, die ich komplett in der dänischen Schule in Tönning absolvierte, allerdings noch am alten Standort, gab es eine Schulband. Die machte ganz tolle Musik. Vor allem der Kontrabass hatte es mir und meinen Schulfreunden angetan. Uns beeindruckte die Größe, aber vor allem der dunkle Sound.

Aber das, was das Schulorchester damals spielte, beeindruckte uns Jungs nicht so sehr. Das war nicht unsere Musik. Wir standen auf Rock‘n‘Roll und Rockabilly. Dafür wollten wir den großen Kontrabass gern mal ausprobieren. Das ging zunächst nicht“, so Willi Itner, „aber meine Leidenschaft für den Kontrabass ging damals so weit, dass ich versuchte, mir aus dem Holz eines alten Kleiderschranks selbst einen zu bauen. Gespräche mit der Schule brachten dann den Stein ins Rollen. Wir durften spätnachmittags und abends mit den Instrumenten üben und vor allem auch mit dem Kontrabass.

Um unseren musikalischen Versuchen einen vernünftigen Rahmen zu geben, nannte man uns dann das ,Jugendorchester‘. Mit der Zeit wurden wir recht erfolgreich, hatten sogar Auftritte über Tönning hinaus. Den Kontrabass spielte ich zwar selten, denn wir hatten einen Bassisten, der viel besser war als ich. Aber wenn der mal nicht konnte, rissen wir Jungs uns darum, wer den Kontrabass spielen durfte. Das war eine schöne Zeit. Gern denke ich daran zurück. Mit Abschluss der Schule und Beginn der Lehre als Zimmermann, wurde das Jugendorchester doch dann langsam Geschichte für mich.“

Doch es sollte ein Wiedersehen mit dem Kontrabass geben. Willy Itner, der in Tönning wohnhaft blieb und eine Familie gründete, sah „seinen“ alten Kontrabass nach vielen, vielen Jahren auf dem Dachboden der dänischen Schule wieder. Damals war Itner Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Tönning und das Wiedersehen mit dem Kontrabass fand während einer Brandschutzbegehung in der dänischen Schule statt. „Da freute ich mich“, so Itner, „dennoch geriet er auch bei mir wieder in Vergessenheit.

Bis mir der Kontrabass vor kurzem wieder einfiel und in mir der Plan reifte, ihn vielleicht nachbauen zu können. Deshalb wurde ich in der dänischen Schule vorstellig.“ Die kläglichen Überreste des alten, geliebten Instruments befinden sich nun in der heimischen Werkstatt von Willy Itner. „Viel ist mit dem Kontrabass nicht mehr los“, gesteht er, dennoch will er so schnell nicht aufgeben. Die Rückseite („Boden“) war noch leidlich intakt, diese hat Itner wieder zusammengefügt, sie dient ihm nun als Maß. Die Vorderseite („Decke“) ist komplett zerstört. Der Arm („Griffbrett“) mit Schnecke ist noch vorhanden, aber nicht im besten Zustand, auch die Saiten fehlen, der Stachel ebenso. „Ich bin Zimmermann, kein Instrumentenbauer, aber ich versuche mein Glück. Ich habe handwerkliches Geschick und jede Menge Zeit“, kommt es zuversichtlich von Willy Itner.

Ute Gieseler