Junge Heringe unter Druck

Das Rätsel um das Heringssterben der vergangenen Tage ist noch nicht abschließend aufgeklärt, aber erste Erkenntnisse liegen inzwischen vor. Die Fischforscherin Katja Heubel vom FTZ Büsum der Universität Kiel berichtet: „Wir haben geschwächte Jungfische gefangen, die relativ schlecht genährt wirken und deutlich von Parasiten befallen sind. Offenbar sind junge Heringe und Sprotten ungewöhnlich zahlreich vorhanden, aber in schlechter Verfassung.“ Die Ursache könnte Nahrungsmangel durch Veränderungen des Nordseeplanktons nach dem sehr warmen Winter sein. Aufgewirbelter Schlick aus den Baggerungen in der Elbe kann Fische zusätzlich lokal schwächen, indem er die Kiemen blockiert und die Atmung behindert.

Die Schutzstation Wattenmeer hat auf der Website BeachExplorer.org alle verfügbaren Strandungsdaten der letzten Tage zusammengestellt. Demnach war es eine regelrechte „Welle“ von jungen Heringen und Sprotten, die ab dem 19. und 20. Juni auf die Küste Schleswig-Holsteins getroffen ist. „Die etwa sechs Monate alten Jungfische sind vermutlich von der Nordsee kommend letzte Woche hier eingetroffen und zum ersten Mal in flaches Wasser geraten. Die Schwärme brauchten einige Tage, um zu lernen, dass sie im Wattenmeer bei Ebbe stranden können. Kranke, dumme und glücklose Fische sind gestrandet, die anderen haben die Flachwasser-Navigation jetzt im Griff“ fasst der Biologe Rainer Borcherding die Situation zusammen.

Dass die Strandungen mit einem Massenauftreten von Jungfischen zusammenhängen, bestätigen auch Fischer. Krabbenfischer beklagen, dass dänische Kutter mit riesigen Fangnetzen derzeit wieder in den Küstengewässern Schleswig-Holsteins als „Gammelfischer“ aktiv sind. Bei der Gammelfischerei wird mit Netzen von der Größe eines Fußballfeldes alles aus dem Meer gefischt und zu Fischmehl verarbeitet, was zwischen Meeresgrund und Oberfläche im Wasser ist. Dazu Borcherding: „In Deutschland ist die Gammelfischerei verboten, weil sie das Meer leer räumt und riesige Mengen von Jungfisch vernichtet. Die EU lässt diese zerstörerische Technik aber auch in deutschen Gewässern zu. Daher wird ein großer Teil dieser kleinen Heringe vermutlich bald in Esbjerg zu Fischmehl für Viehfutter verarbeitet. Die EU-Fischerei ist leider immer noch alles andere als naturfreundlich.“

Quelle/Foto: Schutzstation Wattenmeer