Katingsiel. Sie ist die älteste Schankwirtschaft an der Nordseeküste, berühmt für ihre Trümmertorte und den Eiergrog und wer sie betritt, legt mit dem Mantel auch Stress und Hektik ab. Der Besucher taucht ein in eine andere Welt, in der es noch rote „Verlobungssofas“ gab, die Wände mit echten Delfter Kacheln verziert waren und der Kachelofen wohlige Wärme verströmte.

Die Schankwirtschaft Wilhelm Andresen, traumhaft eingebettet in einen ebenfalls hunderte Jahre alten Baumbestand hinter dem Deich in Katingsiel 4 in der Nähe des Eidersperrwerkes, feiert offiziell am Sonnabend, 13. Oktober, ab 19 Uhr, ihr 350-jähriges Bestehen. Inhaber Volker Andresen und Geschäftsführerin Elke Nast laden ein zu einem ganz speziellen Abend. Eingeläutet wird dieses Ereignis von einer Jagdhornbläsergruppe, passend hat sich die Küche ein Sondermenü mit Wildfleisch einfallen lassen. Wer gerne dabei sein möchte, sollte rechtzeitig telefonisch unter 04862/370 einen Platz reservieren.

350 Jahre Geschichte sind in diesem Haus vereint. Doch die Schankkonzession geht sogar auf das Jahr 1613 zurück. „Das war aber noch das Vorgängerhaus, dieses hier wurde 1668 gebaut“, sagt Volker Andresen erklärend.
Wesentlich geprägt wurde die Atmosphäre von Wilhelm Andresen. Er übernahm die Schankwirtschaft erst ab seinem 60. Lebensjahr und begeisterte 24 Jahre lang – bis zu seinem Tod 2016 – seine Gäste mit seiner herzlichen und originellen Wesensart. Er duzte alle und das nahm niemand krumm. Selbst bei prominentesten Gästen, zu denen auch Schauspieler Jan Fedder, Axel Milberg, Dagmar Berghoff oder der einstige Verteidigungsminister Volker Rühe zählten, machte er keine Ausnahme. Für jeden Gast hatte er ein gutes Wort oder wenigstens die Frage: „Wo kommst du her?“, um gleich darauf eine passende Geschichte zum Besten zu geben. Schnell war der Bann gebrochen und selbst eher verschlossene Menschen tauten bei „Opa Eiergrog“, wie er liebevoll genannt wurde, auf. Doch er hatte durchaus seine kleinen „Macken“. So duldete er zum Beispiel keine Jacken und Mäntel über der Stuhllehne. Diese Unsitte wurde von ihm sofort mit einem Hinweis auf die Garderobe vereitelt. Auch heute, unter der Leitung von Volker Andresen, hat sich das nicht geändert. Dabei geht es nicht nur um die Etikette, sondern vor allem um den Schutz des alten Mobiliars.

Generationswandel

Seit 2014 gab es schon einen „schleichenden“ Generationswandel. Sohn Volker, der auch nach dem Tod des Vaters unter der Woche weiterhin seiner Vollzeittätigkeit in Itzehoe nachgeht, übernahm damals die Geschicke im Hintergrund und kümmerte sich hauptsächlich um alles Verwaltungstechnische.
„Ich möchte auch meiner Familie und da vor allem meinen vier Schwestern danken, die meinem Vater und mir sehr geholfen und zum Erfolg des Hauses beigetragen haben“, so Andresen.
Gerade erst ist er, zwei Jahre nach dem Tode seines Vaters, in dessen Haus gezogen und so nun immer ab Donnerstagabend voll mit in den Betrieb der Schankwirtschaft involviert.
„Ich weiß, dass ich meinen Vater nicht ersetzen kann, er war einfach ein Original, ich will ihn auch nicht kopieren, aber ich spreche ebenfalls sehr gerne mit meinen Gästen und möchte ihnen den Aufenthalt bei uns angenehm gestalten.“

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Wilhelm Andresen

Natürlich hat Volker Andresen in all den Jahren kleine Veränderungen vorgenommen, aber dabei die „Seele und den Charakter des Hauses“ beibehalten oder sogar – in Abstimmung mit dem Denkmalschutz – wieder in seine Ursprünglichkeit gebracht. Die Kachelöfen sind wieder voll funktionstüchtig, alte Glasbausteine im Stallanbau erhielten stilgerechte Stallfenster und Gartenmöbel aus Kunststoff wurden durch Holz ersetzt.
„Das Haus ist gelebte Geschichte und ich bin hier großgeworden, als meine Großeltern hier lebten und arbeiteten. Diesen Zustand möchte ich bewahren und meinen Gästen dieses einzigartige Gefühl vermitteln. Aber es ist halt auch ein Haus, das immer wieder verändert wurde. So gibt es natürlich ein paar Stilbrüche oder eine Tür aus der Biedermeierzeit – das alles bleibt, denn es zeigt, dass das Haus weiterhin lebt“, so Volker Andresen engagiert.
Der Denkmalschutz habe ihm dabei zwar nicht monetär, aber dennoch hilfreich zur Seite gestanden und viele Anregungen gegeben.
Das Muster der Delfter Kacheln findet sich inzwischen auch auf der Webseite, den Speisekarten und auf dem Hinweisschild am Deich wieder.

Das sollte man als Gast probiert haben

Eine Schankwirtschaft ist übrigens kein Restaurant, wie Andresen noch erklärt. „Daher haben wir nur eine kleine Karte. Diese überzeugt aber durch Frische, Qualität, Authentizität und unsere Waffeln mit Vanilleeis, heißen Kirschen und Sahne sind einfach lecker.“ Doch niemand sollte sich entgehen lassen, die Trümmertorte zu probieren. Wer es deftiger möchte, der bekommt verschiedene Bratkartoffel-Gerichte, ein herzhaftes Bauernfrühstück, Suppen, Salatvariationen oder kräftiges Schwarzbrot mit Spiegelei und Krabben oder Käse, Schinken und Wurst von regionalen Anbietern serviert.

Und wie es sich für eine echte Schankwirtschaft gehört, stehen die Getränke im Vordergrund. „Pflicht“ für alle Gäste ist der Genuss des Eiergrogs nach dem Originalrezept der „blonden Kathrein“. Wer ihn nicht probiert hat, war nicht wirklich in der Schankwirtschaft Wilhelm Andresen.

Dieser besondere Ort war übrigens schon oft Schauplatz für Fernsehsendungen und Spielfilme. Vor allem kann er die Kulisse bilden für Familienfeiern wie Hochzeiten und Geburtstage. In der historischen Kachelstube kann man sich sogar offiziell in Absprache mit dem Tönninger Standesamt trauen lassen.

Für besondere Anlässe oder Gruppen, die mit Fahrrad, Bus oder Auto kommen, werden kalte und warme Gerichte gerne nach Absprache vorbereitet. Das Team und Volker Andresen stehen für Informationen gerne zur Verfügung.
In der Saison hat die Schankwirtschaft außer montags von 12 bis 22 Uhr geöffnet. Ab dem 1. November gelten – außer in den Winterferien – andere Öffnungszeiten und da ist dann nur sonnabends und sonntags von 12 bis 22 Gelegenheit, in die Welt von Oma und Opa einzutauchen.

Text/Fotos: Petra Blume