Kambodscha.

Im August des vergangenen Jahres schmückte sie das Titelbild des Eider-Kuriers, damals war Jara Nebel kurz vor dem Abflug nach Kambodscha. Dort verbringt die 22-Jährige ein Freiwilliges Soziales Jahr. Sie hat viel erlebt in der Zwischenzeit und jede Menge Fotos an die Redaktion geschickt. Am 1. September 2022 ist sie mit der Mitfreiwilligen Sophia von Frankfurt über Bangkok nach Phnom Penh geflogen. Nach 16 Stunden sind die beiden in der Hauptstadt Kambodschas, Heimat von 1,7 Millionen Menschen, angekommen. Azizas Place (AP), der Ort, an dem die beiden jungen Frauen ein Jahr lang den Kindern Englisch-Unterricht geben werden. „Dabei ist AP keine reine Schule, sondern ein Bildungszentrum, welches den Kindern zusätzlichen Unterricht sowie drei Mahlzeiten am Tag bietet. Die Kinder gehören zu den Ärmsten der Stadt und leben auf der ehemaligen Hauptmülldeponie. Ihre Eltern sammeln täglich Müll, welcher dann recycelt und verkauft wird. Wären die Kinder nicht bei AP, würden sie wahrscheinlich auch einem schweren Metallkarren hinter sich herziehen und Müll sammeln. Die Kinder werden bis zum Uniabschluss oder bis zum Beruf von AP unterstützt“, erklärt Jara Nebel.

Jara Nebel kommuniziert mit Händen und Füßen

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Ein Gruppenfoto von allen Kindern bei AP. Foto: Privat

Anfangs war alles überwältigend, die neue und fremde Sprache mit fremdem Alphabet, das andere Klima, der Verkehr, die Stadt als solche und die andere Kultur. Die Hälfte der Mitarbeitenden und auch die Kinder sprechen kein Englisch. Also fand die erste Kommunikation mit „Händen und Füßen“ statt. „Obwohl wir seit November täglich eine Stunde Khmerunterricht haben, kann ich nur die einfachsten Sachen. Dadurch war die Interaktion mit den Kindern sehr begrenzt. Umso schöner war es, als wir das erste Mal richtig mit den Kindern gespielt haben. Das passierte am Mondfest, eine Feierlichkeit, bei der Wünsche an die Mondgöttin gesendet werden am vollsten Vollmond des Jahres. Wir spielten Fangen mit den Kindern und von da an war das Eis gebrochen“, freut sich Jara.

 

Jara Nebel vermisst Eiderstedter Meeresluft

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Jara und Sophia lernen auch das Leben der Mönche kennen. Foto: Privat

Während sie im August des vergangenen Jahres noch mit dem Fahrrad durch Gardings Straßen fuhr, schlängelt sie sich jetzt durch den dichten Straßenverkehr Phnom Penhs. An den Wochenenden verbringt sie viel Zeit damit, das Land und seine Kultur kennenzulernen. Nach einem halben Jahr vermisst sie am meisten das deutsche Brot und die grüne Landschaft und die frische Meeresbrise Eiderstedts. Jeder, der sie kennt, weiß, dass sie das vor sechs Monaten nie gesagt hätte. Wie schnell sich eine Meinung doch ändern kann, wenn man umgeben ist von Hochhäusern und Abgasen. Drei Wochen nach ihrer Ankunft begleitete sie das AP-Team, um den Pchum-Ben-Day zu zelebrieren, eine der wichtigsten buddhistischen Feierlichkeiten Kambodschas. „Die Pagode lag weiter außerhalb und ist im Einklang mit der Natur. Inmitten der Wasserbecken, den eigenen Gemüse- und Kräutergärten, Bambus- und Obstbäumen fühlte ich eine innere Ruhe, die ich lange nicht mehr hatte“, schwärmt Jara Nebel.

Gründer des Bildungszentrums beeindruckt

Im Dezember lernte Jara Nebel  den Gründer von AP kennen: Amjad Gory. Er wohnt in England und kommt regelmäßig nach Kambodscha, um sich die Arbeit vor Ort anzuschauen. „Ich fand es super schön, mehr mit ihm ins Gespräch zu kommen, seine Sichtweise, Erfahrungen und die Veränderung der Organisation durch die Zeit zu hören. Er hat Aziza’s Place vor 16 Jahren ins Leben gerufen und nach seiner tragisch verunglückten Tochter benannt. Ihren Geburtstag haben wir am 10. Dezember gefeiert und am 14. Februar haben wir den Geburtstag des Bildungszentrums zelebriert. Ich finde es sehr beeindruckend, dass er seinen Schmerz als Antrieb genutzt hat, um anderen Kindern die Chance einer Zukunft zu geben, die seiner Tochter verwehrt wurde und dass ihr Name nicht in Vergessenheit gerät.“

Jara Nebel schmecken lokale Spezialitäten

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Jara Nebel mit einer frittierten Tarantel. Foto: Privat

Im Februar begann wieder der Unterricht. Jeden Morgen wird die junge Englisch-Lehrerin begeistert von den Kindern begrüßt und sie freut sich auf dem Nachhauseweg schon auf den nächsten Tag. Sie schätzt die frittierten Bananen und Khmer-Donuts, hat aber auch schon „exotischere“ Dinge probiert wie zum Beispiel Hühnerfuß und -hals, Schweineinnereien und -ohren, Schnecken, Lotusblumensamen, Balut (ein angebrütetes, gekochtes Entenei) und frittierte Tarantel.

 

„Ich habe die Kinder hier so sehr ins Herzen geschlossen, dass ich Tränen in den Augen habe, wenn mir klar wird, dass die Hälfte meiner Zeit hier schon rum ist“ sagt Jara abschließend.

Bärbel Sommer