Von der Fremdenführerin zur Schulaufsicht: Der Lebenslauf der neuen Schulrätin des Kreises Nordfriesland, Britta Lenz, ist keineswegs alltäglich. Nach ihrem Abitur 1982 rieten die meisten offiziellen Stellen von einem Lehramtsstudium ab: Es gab eine Lehrerschwemme, Neueinstellungen waren auf Jahre hinaus nicht geplant. »So schnell wollte ich mich aber nicht entmutigen lassen, denn Lehrerin war mein absoluter Traumberuf«, so die Husumerin.

Deshalb wählte sie eine seltene Fächerkombination: Chemie und Deutsch für Realschulen. Zumindest ein damaliger Schulrat machte ihr Mut: Mit dieser Kombination könne nichts schiefgehen. Doch obwohl sie ihr Studium in der Rekordzeit von nur vier Jahren absolvierte, platzte der Traum nach dem Referendariat: Es gab keine freie Stelle.

»Das war ein herber Schlag. Arbeitslos zu sein, kam für mich aber nicht infrage. Also habe ich mich neu orientiert und die nächsten beiden Jahre genutzt, um mich weiter zu qualifizieren, diesmal als Management-Referentin an der Wirtschaftsakademie Bad Harzburg«, erinnert sie sich. Die Schwerpunkte lagen auf den Bereichen Buchführung, Personalplanung, Steuer- und Personalrecht.



Doch die 1980-er Jahre waren eine Zeit hoher Arbeitslosigkeit, und auch bei einer Lehrerin mit betriebswirtschaftlichem Fachwissen standen die Arbeitgeber nicht Schlange.

Britta Lenz hatte bereits ihr erstes Studium in Kiel weitgehend selbst finanziert: als Fremdenführerin und Organisatorin von Workshops der Pharma-Branche. Erneut ergriff sie jede Chance, die sich bot. Sie schrieb als freie Mitarbeiterin für die Husumer Nachrichten, lehrte Deutsch für Ausländer in Hesbüll, jobbte in einer Massagepraxis und organisierte 1989 das Trimm-Festival des Deutschen Sportbundes und der Stadt Garding.

Dazu gehörten eine große Abend-Sport-Show und ein Handballspiel auf Bundesliga-Niveau zwischen dem THW Kiel und dem VfL Gummersbach. Das Festival wurde von VW gesponsert und lockte Sportfans aus ganz Deutschland nach Garding.

Die agile junge Managerin mit der Devise »Geht nicht gibt’s nicht« beeindruckte die Marketing-Profis der PR-Agentur von VW so sehr, dass sie ihr einen Job in Hamburg anboten. Britta Lenz griff zu und wechselte später zu einer Werbeagentur in Dithmarschen, wo sie bis zur stellvertretenden Chefin aufstieg.

»Anfang 1998 wurde mir die ständige Pendelei zu viel, und ich machte mich in Husum als freiberufliche Werbefachfrau selbständig«, berichtet sie. Ihre Kunden waren Tourismus-Anbieter aus mehreren Bundesländern.

Trotz aller Erfolge verlor sie nie ihr eigentliches Lebensziel aus den Augen: Lehrerin zu werden. Mitte 1998 kam endlich ein Angebot – aus Hessen. »Egal: Endlich hatte ich einen Fuß in der Tür. Ich griff sofort zu und pendelte drei Jahre lang mit dem Zug zwischen Lauterberg und Husum, bis ich 2001 an die damalige Tönninger Realschule wechseln konnte«, so Lenz.

Ein Umzug nach Hessen stand für die heimatverbundene Nordfriesin nie zur Debatte – auch deshalb nicht, weil sie seit 1990 ein Mandat im nordfriesischen Kreistag wahrnahm.

In Tönning gestaltete sie die Entwicklung der Schule mit: von der Realschule zur Gemeinschaftsschule, dann zur Gemeinschaftsschule mit Außenstelle in Friedrichstadt und schließlich zur Gemeinschaftsschule mit Oberstufe. Gleichzeitig absolvierte sie ein berufsbegleitendes Fernstudium im Fach Schulmanagement.

»Stillstand ist Rückschritt, und Fortbildung steht auch für Lehrkräfte ganz oben an«, betont sie. Ausgestattet mit insgesamt drei Studienabschlüssen, baute sie Kooperationsbeziehungen ihrer Schule zur Wirtschaft auf und führte für die neunten Klassen den Wahlpflichtkurs »Fit für den Beruf« ein, in dem Vertreter von Unternehmen den Unterricht gestalten und zum Beispiel verschiedene Berufsbilder vorstellen.

Inzwischen zur Konrektorin in der Funktion der Koordinatorin für besondere schulische Aufgaben aufgestiegen, spürte Britta Lenz nach 17 Jahren in Tönning erneut den Drang, sich zu verändern. Sie bewarb sich auf die freie Stelle einer Schulrätin in Husum und setzte sich durch.

Am 1. Oktober 2018 trat sie zur Einarbeitung im Kieler Bildungsministerium an, im Dezember bezog sie ein Büro im Schulamt des Kreises in der Husumer Marktstraße. Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst das südliche Nordfriesland bis nach Bredstedt einschließlich Nordstrand, Pellworm und den Halligen. Daneben ist sie Ansprechpartnerin für die Jugendberufsagentur und für die Kreisfachberater der Schulen für Berufsorientierung, Sport, Verkehrserziehung und Umwelt.

An Arbeit mangelt es nicht: Obwohl sie erst am 24. Januar offiziell ins Amt eingeführt wurde, waren die Wochen zuvor bereits ausgefüllt mit Beratungen zu Schulentwicklungsprozessen und zum Umgang mit schwierigen Schülern, mit Schlichtungsgesprächen zwischen Eltern und Schulleitungen und vielem mehr.

Erste eigene Ziele setzt Britta Lenz in der Digitalisierung und der Suche nach neuen Schulleitungen – ein dringendes Problem angesichts der bevorstehenden Pensionierungswelle. Im Gegensatz zu den 80-er Jahren spürt das Kieler Bildungsministerium jetzt einen Mangel an Lehrkräften, insbesondere im ländlichen Raum. Da Britta Lenz über langjährige Erfahrungen in der Werbebranche verfügt, wurde sie gebeten, mit einer Arbeitsgruppe des Ministeriums entsprechende Vorschläge zu entwickeln.

Weitere Schwerpunkte sieht sie in der Integration von Schülern mit Migrationshintergrund und im Ausbau der vom Kreisjugendamt initiierten Pool-Lösungen für Schulsozialarbeiter und Schulbegleiter.

Landrat Dieter Harrsen freut sich über die neue Schulrätin: »Ich kenne sie seit fast 30 Jahren als überaus engagierte Nordfriesin und finde es sehr vorteilhaft, dass sie schon so viele unterschiedliche Erfahrungen gesammelt hat: Mit ihrem Elan und ihrer Lebens- und Berufserfahrung ist sie bestens für ihre neuen Aufgaben gerüstet.«

Britta Lenz definiert ihre Rolle als zweigeteilt: »Als Schulaufsicht muss ich darauf achten, dass die Anweisungen des Bildungsministeriums überall umgesetzt werden. Daneben bin ich aber auch Beraterin, die die Schulen in Nordfriesland in Teamarbeit mit den Schulleitungen zukunftsfähig machen will.«

Verwaltungschef Harrsen geht davon aus, dass ihr das auch deshalb gelingen wird, weil sie sich in 28 Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit ein breites Netzwerk aufgebaut hat: »Britta Lenz weiß, wie die Nordfriesen ticken. Das ist eine wichtige Voraussetzung für ihren zukünftigen Erfolg in unserer Region.«

Quelle/Foto: Kreis Nordfriesland