St. Peter-Ording. Die Gemeinde St. Peter-Ording arbeitet ihre eigene jüngere Vergangenheit auf. Wie in anderen beliebten Ausflugsorten in Deutschland hatte es auch in einer der wohl wichtigsten Tourismusdestination Schleswig-Holsteins Heime gegeben, in denen Kinderkuren durchgeführt werden sollten. Gerade in der Nachkriegszeit galt es, unterernährte oder auch traumatisierte Kinder und deren oftmals vorhandener Mangel an Luft, Licht und Bewegung in Absprache mit Gesundheits- und Jugendämtern besonders zu pflegen. Die Kinder sollten in ihren in der Regel sechswöchigen Kuren in schöner Umgebung und Atmosphäre gesund werden. Allerdings soll dort auch die sogenannte, aus der nicht lange zurückliegenden NS-Ideologie in die Nachkriegszeit übernommene „schwarze Pädagogik“ zur Anwendung gekommen sein. Der Vorwurf: Es habe psychische und körperliche Gewalt gegeben, Kinder seien regelmäßig gezüchtet und gedemütigt worden. Sie seien gezwungen worden, Postkarten nach Hause zu schicken, auf denen sie mitteilten, wie gut es ihnen in den Heimen gehe, obwohl sie gerade ihr eigenes Erbrochenes hätten essen müssen.

Der Bürgermeister der Gemeinde St. Peter-Ording,  Jürgen Ritter, wurde kurz nach seinem Amtsantritt im Mai vergangenen Jahres mit Briefen konfrontiert, in denen auf die Verschickungskinder und deren trauriges Schicksal an der Nordsee aufmerksam gemacht wurde. „Für mich war sofort klar, dass es hier eine gründliche Aufklärung und Aufarbeitung geben muss“, so der Bürgermeister des Tourismusortes.

Zunächst hatte die Gemeinde eine Arbeitsgruppe gegründet, bestehend aus dem Bürgermeister, Diakonin Andrea Streubier (Evangelische Kirche), Gudrun Arndt (Gleichstellungsbeauftragte) und Peter Arndt (Gemeindevertreter). Diese Arbeitsgruppe hat ein Team aus Sozialwissenschaftlern und Historikern von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel beauftragt, die Situation in den sogenannten „Kinderverschickungsheimen“ in St. Peter-Ording (1950er bis 1990er Jahre) zu untersuchen. Im Zentrum der Betrachtung stehen die „Verschickungskinder“, die zum Teil Misshandlungen in diesen Heimen erfahren haben.

Die Forscher haben ihre Arbeit im Oktober des vergangenen Jahres aufgenommen. Sie werden sowohl auf umfangreiches Material aus verschiedenen Archiven zurückgreifen, als auch Interviews durchführen. In der Auswertung wird durch die Zusammenführung von Sozial- und Geschichtswissenschaften ein ganzheitliches Bild entstehen. Ausführliche Ergebnisse sind für den kommenden Herbst geplant.

 

Text/Foto: Gemeinde SPO