Tönning. Jemand steht mit seiner schrecklichen Krankheit am Abgrund – und 800 Menschen halten ihn zurück, geben ihr Blut für seine Rettung und machen ihm neuen Mut zum Leben. Genau so hat dies Maike T. aus Tönning erlebt. Es hat sie zutiefst beeindruckt und ihr auch während brutaler Chemos und in Zeiten ohne eigene Immunabwehr Kraft gegeben. Jetzt ist sie über den Berg, der Blutkrebs zeigt sich nicht mehr – der schönste Zeitpunkt, um allen Beteiligten Danke zu sagen. Genau 796 Spender waren zu einer Typisierungsaktion in die Tönninger Klinik gekommen, um im Ernstfall Maike T. passende Stammzellen spenden zu können. Die Schirmherrschaft hatte Bürgermeisterin Dorothe Klömmer übernommen. Neben ihr zählten zum Orga-Team Anja Treubmann, Conny Jagla und Nina Rother. „Ich danke allen Spendern, die eine Probe abgegeben haben, allen Helfern während der Aktion, allen Unternehmen und Privatleuten, die die Typisierung mit Geld- und Sachspenden unterstützten und allen, die an mich in dieser Zeit gedacht haben.“

Ausdrücklich schließt sie Dr. Alfonso Grande und den Förderverein Tönninger Krankenhaus in ihren Dank ein. Dr. Grande hatte kurzerhand leerstehende Praxisräume im Obergeschoss zur Verfügung gestellt. Die für die Typisierungsaktion verantwortliche DKMS (vormals Deutsche Knochenmark-spenderdatei, heute eine gemeinnützige GmbH mit Sitz in Tübingen) hatte mit rund 200 Spendern gerechnet.

Eiderstedt hat diese Annahme um 400 Prozent überboten. Noch im Hinausgehen nahmen die Mitarbeiter schnell Speichelproben. Maike T. fasst im Gespräch mit dem Eider-Kurier das Auf und Ab zusammen, das sie durchmachen musste. Im März 2016 fühlte sie sich enorm kraftlos, immer müde. Ärzte stocherten erst im Nebel. Überarbeitung? Rheuma? Dann die Milz vergrößert – erster Verdacht auf Blutkrebs. 16 Tage scheußliche Ungewissheit, in der Familie und Freunde schon an ihrer Seite sind, voller Hoffnung, dass alles nur ein Irrtum ist. Dann das niederschmetternde Ergebnis: Es ist Blutkrebs. Nach einem ersten Aufenthalt in Heide ab auf die Leukämiestation der Uni-Klinik Kiel, wo sie sich vom ersten Moment an gut aufgehoben und umsorgt fühlt. Ihre Kinder kommen zu Besuch, doch kuscheln geht wegen des geschwächten Immunsystems gar nicht.

 

„Am schlimmsten war immer der Abschied von ihnen.“

 

Und wie sollen ihre Kinder versorgt werden, sieben, zwölf und dreizehn Jahre alt? Ihr Mann, Schiffbauer von Beruf, hatte bis dahin jeden Morgen um halb fünf das Haus verlassen, um zur Arbeit nach Flensburg zu fahren. Bis heute kümmert er sich um den Haushalt, weil partout keine Haushälterin zu finden war. Auch Maike T. kann vorerst nicht an ihren Arbeitsplatz bei der Nord-Ostsee Sparkasse zurück, wo sie ganztags tätig war. Anja Treubmann, Krankenschwester an der Klinik Tönning und eine ihrer engen Freundinnen, setzt nun Himmel und Hölle in Bewegung, um die Typisierungsaktion auf die Beine zu stellen. Die DKMS muss überzeugt werden, weil sie niemals mit einem solchen Andrang gerechnet hatte. Über die Schulen werden Eltern und Lehrer alarmiert.

Das Orga-Team findet Spender für das kalte Bufett, das für die Teilnehmer aufgebaut wird. „Und wir haben in jedem Gespräch gebeten, doch auch in die Klinik zu kommen“, ergänzt Anja Treubmann. Auch sie ist dann vom
riesigen Andrang überwältigt, die Schlange der Wartenden zieht sich von der Straße durchs ganze Treppenhaus – fast so, als ob alle auch ein letztes persönliches Statement für den Erhalt der Tönninger Klinik abgeben wollten. Schließlich fällt die Aktion mitten in die Zeit der Demonstrationen für den Standort.

Bild: Vom ersten Verdacht an war Anja Treubmann (re.) an der Seite ihrer
Freundin Maike T.. Ihrem Dank schließt sie sich jetzt an.

bba