„Hoffentlich bringen Sie mir Glück.“ Diesen Satz hört Selina Höft (22) oft – und nicht nur einmal am Tag. Denn die junge, blonde Frau ist Schornsteinfegerin und hat vermeintlich stets das Glück im Gepäck. Dabei entspringt die Sache mit dem Glück einem alten Volksglauben, denn früher wurde mit einem Kamin nicht nur geheizt, sondern auch gekocht. War der Kamin verdreckt oder gar verstopft, konnte sich dadurch sogar ein Feuer entzünden und das Haus drohte, abzubrennen. Deshalb brachten die Schornsteinfeger „das Glück ins Haus“, denn sie sorgten für saubere Kamine und stets guten Rauchabzug. Und während früher das Schornsteinfegerwesen ausschließlich in Männerhand war, so holen Frauen in diesem Metier doch inzwischen mächtig auf. Selina ist eine von ihnen. Die Schornsteinfegergesellin arbeitet seit knapp zwei Jahren bei Schornsteinfegermeister Jann-Adolf Krüger in Koldenbüttel. Gelernt hat sie ihr Handwerk in Itzehoe. Drei Jahre dauete die Ausbildung. „Ich komme aus einer Handwerkerfamilie“, erzählt sie, „mein Vater und mein Onkel sind Schornsteinfeger, meine Mutter und Geschwister sind ebenfalls Handwerker. Ein Praktikum machte ihr klar: Ich möchte Schornsteinfegerin werden! Das geplante Studium war damit passé.

Gemeinsam mit ihrem Chef ist die junge Frau in Schwarz unter anderem auch für Teile von Eiderstedt zuständig und steigt somit den Eiderstedtern aufs Dach, um Schornsteine zu kehren. Natürlich stets fachgerecht gekleidet. „Nur beim klassischen Kehren trägt ein Schornsteinfeger die für ihn so typische und vermeintlich Glück bringende Kluft“, erklärt Selina Höft und setzt hinzu, dass die feuerhemmende Jacke mit Lederbesatz und den goldfarbenen Knöpfen „Koller“ heißt, die mit dem Koppel (Gürtel) gehalten wird. Knöpfe und Koller sind mit dem „Heiligen Florian“, dem Schutzheiligen der Schornsteinfeger, geschmückt. Manche Schornsteinfeger tragen als Kopfbedeckung eine Kappe, aber ein Zylinder macht doch einfach mehr her und schützt zudem den Kopf beim Aussteigen aus engen Dachluken. Auch das weiße Halstuch gehört zur Kluft, man kann es als Mundschutz tragen und sich damit auch mal den Schweiß abwischen, denn das Kehren auf dem Dach ist anstrengend. Auf Nachfrage, ob man besonders fit sein muss, um diesen Beruf ausüben zu können, antwortet Selina Höft: „Sportlich sollte man schon sein und auch über eine gewisse Kraft verfügen.“ Aha, sie geht also ins Fitness-Studio? Nun wird das Lachen der blonden jungen Frau in Schwarz verschmitzt und herzlich: „Ja, ich war schon einmal in einem Fitness-Studio, aber nur zum Messen der Heizungsanlage.“ Humor hat sie also auch, die junge Schornsteinfegerin, die gern mal Inliner fährt, sich ansonsten aber in ihrer Berufsausübung fit hält. Das wird von ihrem Chef spontan bestätigt: „Ich bin sehr stolz auf Selina“, so Jann-Adolf Krüger, „sie ist fachlich kompetent, herzlich und hat einen guten Draht zu den Kunden. In all meinen Berufsjahren ist sie die erste Gesellin, mit der ich zusammenarbeite. Sie ist eine Bereicherung für mich, nicht nur aus obigen Gründen, sondern auch, weil Frauen oft einen anderen Blickwinkel haben.“

Befragt, was sie am meisten an ihrem Beruf schätzt, kommt es von Selina Höft prompt: „Die unterschiedlichen Menschen, die ich in ihren Häusern besuche und die Gespräche mit ihnen.“ Da kommt dann auch schon einmal: „Oh…eine Frau!“ Das hört Selina auch auf der Straße und wer nett fragt, der darf von oder mit ihr auch ein Foto machen. „Oder an einem goldenen Knopf des Kollers drehen oder reiben“, zwinkert Selina. Denn das soll besonders Glück bringen! Man muss also auch kommunikativ sein, das ist Selina Höft auf jeden Fall. „Der Schornsteinfegerberuf ist sehr vielseitig, auch sehr technisch“, erklärt sie weiter, „und er ist nicht so kräftezehrend wie manch anderer Handwerksberuf. Außerdem stimmt die Bezahlung und es macht einfach Spaß.“ Selina Höft hat ihren Traumberuf gefunden. „Irgendwann möchte ich eine Familie gründen“, sagt sie. Bis dahin lebt sie wie andere junge Frauen auch. Sie hat einen Freund, trifft sich mit Freunden, macht sich auch mal chic und geht in Clubs. „Nur wenn ich vorher viel gekehrt habe, sieht man es meinen Händen eben an.“ Das ist das Pech einer Schornsteinfegerin, und das nimmt sie auch nicht so tragisch. Das Glück, Schornsteinfegerin zu sein, überwiegt.

Text/Foto: Ute Gieseler