Kating. Ein Strandspaziergang lädt unwillkürlich dazu ein, nach Muscheln oder ungewöhnlichen Steinen Ausschau zu halten. Auch einen Bernstein zu finden, ist jedes Mal ein Fest. Doch dass man eine Flaschenpost finden könnte, daran verschwendet der Strandspaziergänger wohl selten einen Gedanken. Es wäre ja auch sehr ungewöhnlich. Malte Reimer (28) aus Kating fand vor circa sechs Jahren eine Flaschenpost. Leider war diese komplett unleserlich. Doch auf einem Strandspaziergang am Eidersperrwerk kurz vor Weihnachten vorigen Jahres, fanden er und seine Freundin Carmen Otte (26), die nach Strandgut Ausschau hielt, erneut eine Flaschenpost.

„Diese war anders“, sagt Malte Reimer, „die Flasche fehlte bereits, wahrscheinlich war sie zerborsten, aber der Inhalt war nahezu unversehrt.“ Das Schriftstück war sorgfältig laminiert, um es vor Feuchtigkeit zu schützen. Etwas entfernt des Fundortes am Wassersaum lag eine Rose. Ob auch diese ein Bestandteil der Flaschenpost war, bleibt nur eine Vermutung des jungen Paares. Die Freude von Malte und Carmen über den Fund war groß –  und sie begannen, den Brief zu lesen: „Für mein Kind“, stand dort. Und weiter: „Mein geliebter Sohn. Du bist nur 14 Tage nach deinem 16. Geburtstag für immer gegangen. Auf der Insel Fanø warst du immer glücklich. Nun möchte ich Dich zu Deinen Ehren hier auf Fanø auf die Reise schicken und hoffe, Du wirst Dein Ziel erreichen. Du bleibst immer in meinem Herzen, für immer. Ich liebe Dich. Deine Mama.“ Es folgt ein Bild von Mutter und Sohn.

Bei aller Freude über den Flaschenpostfund, machte der Inhalt Malte und Carmen doch betroffen. Es war ein Abschiedsbrief einer Mutter an ihren verstorbenen Sohn. Hinweise auf Namen oder gar eine Adresse fehlten. Eine kurzzeitige Veröffentlichung des Inhalts der Flaschenpost in den sozialen Medien blieb erfolglos, obwohl der Beitrag circa 1000-mal geteilt wurde. Malte und Carmen entschlossen sich dazu, den Beitrag wieder zu löschen. „Wahrscheinlich möchte die Mutter gar nicht gefunden werden“, so Malte Reimer, „sie möchte, dass ihr Sohn um die Welt reist und bei diesem Wunsch werde ich ihr helfen.“ Malte Reimer ist begeisterter Kitesegel-Bauer und reist mit Vorliebe zu Drachenfesten, um die großen Himmelsstürmer dort fliegen zu lassen. Einmal jährlich ist ein solches Drachenfest auch auf der Insel Fanø. „In diesem Jahr ist der Besuch des „International Kite Fliers Meeting“ auf Fanø im Juni fest eingeplant, denn ich bin jedes Jahr dort. Dann werde ich den Brief in eine neue Flasche legen, ein paar Zeilen von mir hinzufügen und die Flaschenpost erneut ins Meer werfen. Dann geht die Reise der Flaschenpost weiter, so wie es sich die Mutter des verstorbenen Jungen gewünscht hat“, sagt Malte Reimer und die Ernsthaftigkeit dieses Plans ist dem jungen Mann im Gesicht abzulesen. Eine schöne Geste von Malte. Und wohin es die Flaschenpost auf dieser Reise auch führen wird, die Liebe der Mutter zu ihrem Sohn wird stets größer sein als jedes Meer.

Text/Foto: Ute Gieseler