Tetenbüll. In den vergangenen Wochen waren die meisten Käsesorten im Hofladen der Friesischen Schafskäserei, Kirchdeich 8, ausverkauft. Während des Winters wird in der Käserei nicht produziert und das mit gutem Grund: Trage- und Lammzeit „Die Mutterschafe dürfen sich drei Monate vor dem Gebären erholen, danach gehört die Milch den Lämmern“, hieß es zur Begründung. In unserer Überflussgesellschaft, wo ständig alles quasi rund um die Uhr im Übermaß vorhanden ist, gibt es plötzlich mal nichts. Grund genug, sich beim Hofbesitzer Redlef Volquardsen genauer zu erkundigen, was hier anders läuft.

Seine Eltern übergaben ihm und seiner Frau Monika 2003 den Hof mit Mutterschafen und einem Rinder-Weidemastbetrieb. „Für uns stellte sich die Frage, wie es weitergehen soll. Zur Wahl stand vergrößern oder ganz umdenken.“ Sie entschieden sich bewusst fürs Umdenken, behielten die Schafe und gaben die Rindermast auf. Nachhaltigkeit im Einklang mit der Natur und der Respekt vor den Tieren waren ebenfalls für die beiden Diplom-Ingenieure FH, die sich beim Studium der ökologischen Agrarwirtschaft in Hessen kennen- und lieben lernten –, ein gemeinsames Anliegen. „Wir wollten und wollen uns zudem nicht abhängig machen von Vertriebswegen und Preiszwängen großer Abnehmer und Konzerne. Wir verkaufen ausschließlich in unserem Hofladen und an ausgesuchte Restaurants und Geschäfte in der Region“, so Volquardsen weiter. Diese Unabhängigkeit ist inzwischen ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgs des Biohofes, aber es war anfangs nicht leicht, wie er selbst zugibt.

„Die neuen Vermarktungswege mussten aufgebaut, Erfahrung in der Käseproduktion gesammelt werden und viel Umsatz hatten wir auch nicht. Wir gingen so manches Mal durchs Feuer“, erinnert er sich. Doch sie hielten an ihrer Idee von der Vermarktung ihrer Produkte ab Hof fest. Heute wissen sie, dass es der richtige Weg war. „Wir werden keine Reichtümer anhäufen, aber es reicht, dass es Mensch, Schaf und Hof gutgeht.“ In ihrem vor zwei Jahren neu erbauten Stall mit eigener Heutrocknungsanlage tummeln sich gut 130 Ostfriesische Milchschafe, wie sich die Rasse nennt, auf einer Stroh- und Heudecke. „Sie haben vier Mal so viel Platz, wie nach Bioland-Richtlinien vorgeschrieben geschrieben wäre, und sie können bei Bedarf nach draußen. Im Sommer sind sie auf der Weide“, erklärt Redlef Volquardsen die Besonderheiten. Mit dabei die Lämmer, die ihren Müttern folgen. Und wenn man das als Laie sagen kann, haben alle, einschließlich des Besitzers, einen zufriedenen Gesichtsausdruck.

Der Luxus der „muttergebundenen Aufzucht“, wie es korrekt heißt, geht tatsächlich ins Geld. Ein gutes Jahresabkommen kommt da zusammen. „Jedes unserer Lämmer trinkt in der Zeit, bis es zum Wiederkäuer wird, den Gegenwert von etwa 350 Euro an produziertem Käse weg. Wir könnten mit Kuhmilch als Ersatz mehr Erlös erzielen und sie dennoch gesund aufziehen, aber wir wollen, dass Mutter und Kind möglichst lange zusammenbleiben können. Das ist es uns wert.“ Diese Rasse ist im Unterschied zu den Schafen auf dem Deich, die mehr Fleisch haben und kompakter sind, feingliedriger und trotz ihres Namens nicht so abgehärtet für Wind, Regen und Kälte, wie man denken möchte. Daher halten sie sich gerne in ihrem gemütlichen Stall auf. Stall, Photovoltaik-Anlage für die Stromerzeugung und Heutrocknungsanlage waren eine große Investition, die sich aber schon jetzt auszahlt, denn das Wohlbefinden der Schafe ist unbezahlbar. „Das noch grüne, aromatische Heu lieben sie wie wir ein leckeres Dessert“, sagt er und beweist es gleich mit einer Fütterung. Es kommt auch nichts weg. Reste, die von den vierbeinigen Milchproduzenten verschmäht werden, finden letztlich als Einstreu Verwendung. Ist der ökologische Anbau nun also die einzig richtige Methode? „Eine schwierige Frage“, gibt Redlef Volquardsen zu. „Als Landwirt lernt man hauptsächlich, wie man Rohstoffe für die Lebensmittelindustrie produziert, kaum lernt man etwas, wie man seine eigenen Produkte veredelt und gut vermarktet. Aber als Gesellschaft können wir es uns – mit Blick auf die Zukunft – nicht leisten, nicht ökologisch zu wirtschaften. Die steigende Weltbevölkerung wird nicht von einer unsere Ressourcen verschwendenden Agrarindustrie ernährt werden können, sondern vor allem durch eine kleinbäuerliche Landwirtschaft in aller Welt, die ihre Produkte regional vermarktet. Durch die Vorgaben der Wirtschaft und Politik wurden die Bauern über die Jahrzehnte zu einer Wirtschaftsweise geleitet, die uns heute vor Probleme, wie zum Beispiel Grundwasserbelastung und Artensterben stellt und gleichzeitig die Bauern in Abhängigkeit von Großkonzernen und Banken gebracht hat. Hier muss unbedingt ein Umdenken her“, sagt er nachdenklich.

Für die Volquardsens war ihre Entscheidung der richtige Weg. Ideen, um die Nachhaltigkeit voranzubringen, haben sie ebenfalls noch genug. Mit Führungen durch ihren Hof versuchen sie zudem, den Besuchern im Kontakt mit den Tieren den Respekt vor dem „Produkt“ näher zu bringen. Geschlachtet werden die Schafe natürlich, aber auch hier bei einem regionalen Schlachter, dem das Tierwohl ebenfalls wichtig ist. Ach ja, und Käse gibt es inzwischen auch wieder, nur für den festen Schnittkäse müssen die Kunden bis Mitte/Ende April noch Geduld aufbringen. Insgesamt werden wieder gut zehn Sorten im Hofladen vorhanden sein, dazu viele Produkte rund ums Schaf. Aber zum Wohle der Lämmer, die bei ihrer Mutter aufwachsen konnten, ist ein bisschen Geduld ein guter Preis.

Text/Fotos: Petra Blume