Tönninger Druckerei Boysen: Druckerei schließt: Das Ende einer ÄraVon Ute Gieseler29.12.2023, 11.55 UhrFoto: Ute Gieseler Am 31. Dezember nach fast 130 Jahren heißt es: Maschinen stopp. Dann schließt die Druckerei Boysen. Sie gab früher zweimal wöchentlich den „Eiderboten“ heraus. Schon als kleiner Junge war Hauke Boysen (65) klar, dass er einmal die Druckerei seines Vaters übernehmen würde. Zum Ende dieses Jahres werden die Druckmaschinen der Druckerei Boysen in Tönning jedoch für immer ruhen und der Betrieb wird geschlossen. Damals, wie auch heute noch, befand sich die Druckerei im Erdgeschoss des Eigenheims der Familie Boysen in der Rademacherstraße 12 in Tönning, während die Familie im Obergeschoss wohnte. Vater Wilhelm Albrecht Boysen leitete die Druckerei, Ehefrau Annelotte kümmerte sich um die beiden Söhne Hauke und Günter, half jedoch auch in der Druckerei mit und war für die Büroarbeit zuständig. „Oben in der Wohnung hörten wir stets die Druckmaschinen“, erzählt Hauke Boysen, „ich fand das stets spannend. Der Lärm, die Vibrationen und der ganz spezielle Geruch im Haus prägten meine Kindheit, sodass ich als kleiner Junge schon am Setzkasten stand und kleine Sachen gesetzt habe, wie zum Beispiel Einladungskarten. Dazu musste ich mich damals immer auf ein Podest stellen. Als Junge war ich eher klein“, lächelt der heute hochgewachsene Geschäftsmann. Wilhelm Albrecht Boysen führte die Druckerei Boysen von 1965 bis 1992. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte des Familienbetriebes bereits im Jahr 1894. Damals übernahm der Tönninger Wilhelm Boysen (der Urgroßvater von Hauke Boysen) eine bestehende Druckerei Pfeiffer und benannte sie in „Druckerei Boysen“ um. Die Druckerei gab zweimal wöchentlich den „Eiderboten“ heraus. Zur damaligen Zeit wurde Buchstabe für Buchstabe noch mühselig per Hand gesetzt. 1931 übernahm Sohn Hans Boysen die Druckerei seines Vaters und führte dessen Arbeit fort. Als 1941 die Herausgabe des Eiderboten aus kriegswirtschaftlichen Gründen verboten wurde, verkaufte Hans Boysen den Verlag nach Husum. Die Druckerei konzentrierte sich dann auf den Druck von Geschäfts- und Privatdrucksachen. Hans Boysen verstarb 1965 und es übernahm sein Sohn Wilhelm Albrecht Boysen, der sicher noch vielen Eiderstedtern im Gedächtnis ist. Er schrieb neben der Führung der Druckerei für die „Husumer Nachrichten“ Beiträge und fotografierte viel. Dazu richtete er sich in seinem Haus eine eigene Dunkelkammer ein. Wilhelm Albrecht Boysen führte die Druckerei umsichtig und mit viel Geschick und Weitsicht. Er nahm Investitionen vor und hielt stets mit der voranschreitenden Technik im Druckereihandwerk Schritt. Mauerwerk musste für Druckmaschine geöffnet werden Die Anschaffung einer großen Druckmaschine mit einem Gewicht von fünf Tonnen bescherte ihm jedoch immense logistische Widrigkeiten, die es zu überwinden galt. Hauke Boysen erinnert sich heute noch gut daran: „Die Maschine wurde angeliefert. Es war jedoch schon vorher klar, dass sie auf normalem Weg von der schmalen Rademacherstraße aus nicht in die Druckerei gelangen konnte. Sie wurde dann von der Neustraße aus mittels eines Krans, der auf einer dortigen Auffahrt positioniert wurde, über ein Nachbarhaus gehoben. Durch einen Mauerdurchbruch in unserem Haus gelangte die Druckmaschine dann auf den Platz in der Druckerei, auf der sie noch heute steht. Die Mauer wurde wieder verschlossen, die abgesackte Auffahrt des Nachbarn mussten wir dann natürlich auch wieder herrichten lassen“, schmunzelt Hauke Boysen. Wie diese große Maschine jemals wieder das Haus verlassen soll, darüber macht sich der Inhaber der Druckerei bereits jetzt Gedanken. Insgesamt gilt es für Hauke Boysen im kommenden Jahr, die Druckerei aufzulösen und vieles im Hause zurückzubauen. Allein drei Druckmaschinen gehören zum Inventar: eine Heidelberger OHT Tiegel A4 Buchdruck, eine Heidelberger GTO A3 1-Farben Offsetdruck und eine Heidelberger MO A2 2-Farben Offsetdruck. Hinzu kommen noch diverse Maschinen für die Weiterverarbeitung der Drucksachen wie Schneidemaschine, Broschüren-Heftstraße, Falzmaschine, Heftmaschine und Lochmaschine. Walter Hase arbeitete sein ganzes Berufsleben lang in seiner Ausbildungsfirma. Hauke Boysen erlernte den Beruf des Schriftsetzers (heutige Bezeichnung: Mediengestalter) bei der Druckerei Hansen in Husum und stieg dann in den väterlichen Betrieb ein. Über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren besuchte er am Wochenende die Meisterschule in Flensburg und machte seinen Meisterbrief im Druckereihandwerk. Die genaue Bezeichnung lautet Industriemeister Druck. 1992 übernahm Hauke Boysen dann in vierter Generation die Geschäfte seines Vaters, der damals bereits 71 Jahre alt war. Dennoch unterstützte Wilhelm Albrecht Boysen seinen Sohn noch sehr viele Jahre aktiv in der Druckerei. „Papa war immer an meiner Seite, wenn Hilfe gebraucht wurde. Er hat mich sehr unterstützt, die Druckerei war ja auch immer sein Leben und ganz ohne Arbeit konnte er nicht“, schmunzelt Hauke Boysen heute rückblickend. Wilhelm Albrecht Boysen verstarb vor elf Jahren, seine Ehefrau, die noch lange in der Wohnung über der Druckerei lebte, folgte ihm vor einem Jahr. Bodo Lange absolvierte seine Ausbildung bereits in der Druckerei Boysen und arbeitet auch noch heute dort. Foto: Beetz Termintreue und die Nähe zum Kunden waren stets das große Plus der Druckerei Boysen. Die Angebotspalette reichte von der Visitenkarte über Briefbögen, Plakate, Flyer bis hin zum Taschenbuch in einer Auflage von 1 bis 250.000 Exemplaren. Die Kunden stammen überwiegend aus Nordfriesland, Dithmarschen und Hamburg. „Allein für einen Hamburger Handelsvertrieb haben wir mehr als 20 Jahre lang Reiter, Aufkleber und Fischetiketten gedruckt“, so Hauke Boysen und erzählt weiter, dass diese Reiter und Aufkleber lange Zeit von der Firma Nohme aus Tönning, später Friedrichskoog, zusammen mit der Ware gepackt wurden. Später konnten dann die Druckerzeugnisse direkt an den Hamburger Fischmarkt geschickt werden. Dort verpackte man dann direkt vor Ort. Tönninger Traditionsunternehmen verschwindet Diese große Druckmaschine konnte nur mittels eines Mauerdurchbruchs in die Druckerei gelangen. Zunächst musste ein Kran sie allerdings über ein Nachbarhaus heben. Die Veränderungen im Druckereigewerbe sind enorm. Vom Bleisatz-Buchdruck über Computersatz-Offsetdruck bis hin zum Digitaldruck – die Druckerei Boysen ist stets mit der Zeit gegangen und wendet auch heute noch ältere Verfahren, wie auch hochmoderne Technik an. Dennoch, der Bedarf an Drucksachen wird durch die Digitalisierung immer weniger. Am 31. Dezember 2023 wird die Druckerei Boysen in Tönning schließen. Eine Ära geht damit zu Ende, die Druckmaschinen werden für immer schweigen und ein Tönninger Traditionsunternehmen verschwinden. Hauke Boysen geht in den Ruhestand und freut sich auf mehr Zeit für Familie und sportliche Aktivitäten. Doch zunächst gilt es, die Druckerei aufzulösen und das Haus zu räumen. „Meinen Kunden danke ich für die gute Zusammenarbeit und jahrzehntelange Treue. Bedanken möchte ich mich ebenfalls herzlich bei meinen beiden Mitarbeitern Walter Hase und Bodo Lange, die schon vor langer Zeit hier im Hause ausgebildet wurden und ihr ganzes Berufsleben hier gearbeitet haben.“ Auch Interessant: Überwältigt von großer Spendenbereitschaft